Die Historische Bedeutung
In der Zeit des Mittelalters war deren Hauptaufgabe, für Ruhe und Sicherheit der Bürger innerhalb der Stadtmauern zu sorgen.
Obwohl sie mit diesem Polizeidienst eine wichtige städtische Aufgabe erfüllten, gehörten sie zu den zahlreichen unehrenhaften Berufen. Dabei war ihr Dienst durchaus gefährlich, denn auf ihren nächtlichen Rundgängen hatten sie es immer wieder mit Dieben, Betrunkenen und lichtscheuem Gesindel zu tun.
Zu ihrem Schutz und als Zeichen ihres Amtes führten sie eine stattliche Hellebarde mit sich. In Rothenburg gab es sechs Wachbezirke, für die je ein Nachtwächter Sorge trug.
In der dunklen Jahreszeit waren sie - von kurzen Pausen unterbrochen - von 8.oo Uhr abends bis 5.oo Uhr morgens im Einsatz.
Immer wenn die Turmuhr zur vollen Stunde schlug, gaben sie mit dem Horn Signal und riefen dann laut ihren Nachtwächter-Ruf, wobei es stündlich ein anderes Lied gab. Die Bürger hat dies eher beruhigt denn gestört, wussten sie doch er hat ein Auge auf die Gefahr und gibt im Notfall auch Feueralarm.
Auch das Anzünden der spärlich vorhandenen Petroleumlampen und der später aufkommenden Straßenlaternen gehörte zu den Pflichten der Nachtwächter, die es in Rothenburg bis 1920 gab.
Rothenburg ob der Tauber
Bekannt war Rothenburg für seine Wolle, die bis nach Italien exportiert wurde. Zum wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt trug auch erheblich die Reichsstraße von Würzburg nach Augsburg bei, die seit 1340 durch Rothenburg führte. Händler, Pilger, Reisende kamen zahlreich, hielten Rast und brachten Geld unter die Leute. Die Jakobskirche, das Rathaus und die stattlichen Patrizierhäuser sind noch heute Ausdruck früheren Wohlstands.
Geht man durch die Gassen, sieht man hoch oben an den Giebeln und Gauben einen hölzernen Balken, in dem sich eine Laufrolle befindet. Mit diesem Seilzug wurden früher insbesondere Vorräte an Getreide auf den Dachspeicher gezogen und dort gelagert, weit weg von Unrat, Nässe und Ratten. Jeder Haushalt musste für zwei Jahre Getreide im Vorrat halten - aus Furcht vor einer Belagerung durch den Feind und auch um Missernten vorzubeugen. Ein städtischer Beamter führte unangemeldete Kontrollen durch und ordnete bei zu geringer Menge hohe Geldstrafen an.
Kurz vor der Jahrtausendwende begann die Geschichte der Stadt, als die Grafen von Rothenburg/Comburg eine stattliche Burg errichteten, bei der bald eine Siedlung entstand. 1172 verleiht Kaiser Friedrich I Rothenburg die Stadtrechte, 1274 beginnt der Aufstieg der Stadt durch die Erhebung zur Freien Reichsstadt durch Kaiser Rudolf von Habsburg.
Rothenburg wird zwei mal erweitert und befestigt und gehört in ihrer Blütezeit vom 13.-16.Jhd. zu den 20 größten Städten im Hl. Römischen Reich deuscher Nation. Innerhalb des Mauerrings lebten ca. 5.500 Menschen, weitere ca. 14000 in den 163 Dörfern und Weilern in der Landwehr, wie das reichsstädtische Gebiet genannt wurde.
Kaiser und Könige zu Gast
Rothenburg o.T. wurde insgesamt 30 mal von Kaisern und Königen des Römischen Reichs besucht, was für die Stadt jeweils eine große Ehre, aber auch sehr teuer war. Ein solch hoher Gast kam in Begleitung von ca. 300 bis 500 Berittenen, die alle in vorher bestimmten Quartieren untergebracht wurden. Sämtliche Kosten für Verpflegung und Wein trug die Stadt, hinzu kamen wertvolle Gastgeschenke in Höhe mehrerer hundert Gulden.
War der Kaiser mit der ihm erwiesenen Anerkennung zufrieden, konnte man noch an Ort und Stelle mit einer Gegenleistung rechnen: Der Erteilung eines neuen Privilegs bzw. Rechts. Rothenburg hatte im Laufe der Jahrhunderte eine Vielzahl von Rechten erlangt, z.B. das Marktrecht, eigene Maße und Gewichte, das Münzrecht, das Recht selbständig Bündnisse mit Städten und Ständen einzugehen und als wichtigstes die Blut- und Hochgerichtsbarkeit.
Eine mittelalterliche Stadt romantisch zu nennen, passte früher nicht so recht ins Bild. Die Gassen waren nicht gepflastert und von Gossen durchzogen, wie man die Ablaufrinnen für den Dreck nannte. Abdeckerei und Gerberei verbreiteten entsetzlichen Gestank, Gänse, Hühner und Kleinvieh ließ man tagsüber vor den Häusern frei laufen. Die Bürger warfen jeglichen Unrat aus den Fenstern in die Gassen, was besonders am frühen Morgen, wenn der Nachttopf ausgeleert wurde, für Passanten zu unangenehmen Situationen führen konnte.
In den heißen Sommermonaten stank es so unerträglich in den Städten, dass die reichen Bürger sich auf ihre Landsitze verzogen. Wegen des vielen Unrats in den Gassen und der großen Mengen an eingelagertem Getreide gab es, von beidem magisch angezogen, Ratten ohne Zahl, was wiederum zur Verbreitung der Pest führte. Der "Schwarze Tod" wurde durch eine bestimmte Art Rattenfloh übertragen, was ein Drittel der Bevölkerung Europas, ca 20 Millionen Menschen, das Leben kostete. Bedenkt man noch die vielen kleinen und großen Kriege, durch Missernten bedingte Hungersnöte und die Willkür der Fürsten, Bischöfe und Landesherren, sollte man mit dem Begriff der "guten alten Zeit" nicht allzu leichtfertig umgehen.
Der Nachtwächter bläst sein Horn nahe dem südwestlichen Rand der Stadt.
Das Horn wurde benutzt, um jede Stunde zu verkünden und die Bürger
vor Feuer zu warnen - dem schlimmsten Alptraum von allen.
Die befestigte Stadt
Rothenburg ist ringsherum von einem 4,2 km langen und ca. 6 m hohen Mauerring umgeben, der sechs Stadttore aufweist. Auf dem überdachten Wehrgang stand früher die Bürgerwehr, die anfangs mit der großen Armbrust, später mit Wall- und Hakenbüchsen auf den Feind herabschoss.Die Wachtürme waren Tag und Nacht von den Türmern besetzt und auf dem Wehrgang patroullierten nachts die Einwohner in wechselndem Turnus, was eine der Bürgerpflichten war.
Die sechs großen Stadttore wurden aus Sicherheitsgründen am Abend fest verriegelt. Täglich mit Einbruch der Dunkelheit läuteten alle Glocken den "Tag garaus", woraufhin die Bürger noch eine Stunde Zeit hatten, sich zurück in die Stadt zu begeben. Wer jedoch zu spät kam, stand vor verschlossenen Toren und konnte nur noch durch das sog. "Mannloch" hereingelassen werden, was allerdings mit der Zahlung einer empfindlichen Geldbuße verbunden war. Dem ging natürlich eine genaue Befragung des Einlaß begehrenden durch die beiden Torwärter voraus, die auf keinen Fall ungebetene Gäste oder gar Feinde in die Stadt lassen wollten.
Der 30-jährige Krieg und der Niedergang Rothenburgs
Seit der Stauferburg im 12. Jhd. bis zum großen 30-jährigen Krieg von 1618 bis 1648 wurde Rothenburg nicht von Feindeshand besiegt.
Selbst mächtige Gegner wie der Burggraf von Nürnberg und der Bischof von Würzburg scheiterten an der wehrhaften Stadt, plünderten und brandschatzten jedoch wiederholt in den Dörfern der Landwehr.
Ende Oktober zog der Feldherr Graf Tserklas Tilly mit seinem kaiserlichen katholischen Heer in Stärke von ca. 40.000 Mann von Norden kommend in Richtung Süden an Rothenburg vorbei. Durch einen frühen Kälteeinbruch, dem ein tagelanger Dauerregen vorausging, war diese Armee in eine missliche Lage versetzt worden. Man kam auf den aufgeweichten, unbefestigten Wegen kaum voran, der mitgeführte Proviant war alsbald verbraucht, die Soldaten hungerten und froren.
Daraufhin sandte Tilly einen berittenen Boten nach Rothenburg, durch den er um öffnung der Tore, Quartier und Proviant bat. Dies wurde von den Ratsherren nach hitziger Debatte abgelehnt. Es war allen klar, dass diese Söldner nur plündern wollten und auch der seit 1544 eingeführte protestantische Glaube stand auf dem Spiel. So wurden die die Bürger zu den waffen gerufen und die Stadttore verriegelt.
Die Tilly'sche Armee rückte auf die Stadt vor, um sich mit Gewalt zu nehmen, was man ihr vorenthalten wollte. Zwei Tage und zwei Nächte schoss die Bürgerwehr von Mauern und Türmen was das Zeug hielt. Dann ging die Munition zunehmend zur Neige und zu allem Unglück explodierte auch noch der Pulvervorrat auf der Klingentorbastei durch Fahrlässigkeit eines Verteidigers. Angesichts dieser aussichtslosen Lage ergab sich die Stadt gegen Mitternacht des 30.10.1631 und die Plünderung begann.
Die kaiserlichen hatten gut 300 Mann verloren, die Rothenburger lediglich zwei. Doch nun waren Mord und Totschlag an der Tagesordnung. Das Söldnerheer nahm für drei Monate Quartier in der Stadt und in den Dörfern, was zum völligen Verlust an Hab und Gut, aller Vorräte und Viehbestände führte. Auch die Pest, der "Schwarze Tod" wurde von den Truppen in die Stadt eingeschleppt, woran in 14 Wochen jeden Tag an die zehn Einwohner starben. Der Sage nach kam es nur durch den "Meistertrunk" des Altbürgermeisters Nusch nicht zur völligen Zerstörung Rothenburgs.
Im weiteren Verlauf des Krieges wurde die Stadt immer wieder von durchziehenden Heeren entweder um Lösegeld oder Quartier erpresst und von Seuchen heimgesucht. Erst im Jahre 1650 zogen die letzten Soldaten ab und es wurde ein Friedensfest gefeiert.
Rothenburg hatte weit über die Hälfte der Einwohner durch Krieg und Seuchen verloren, die Dörfer in der Landwehr waren verwüstet, die einst stolze und mächtige Stadt war ein unbedeutendes Landstädtchen geworden. Die Armut versetzte die Stadt in eine Art "Dornröschenschlaf", was jegliche Veränderung bzw. Erneuerung verhinderte und dazu führte, das Rothenburg die besterhaltene mittelalterliche Stadt Deutschlands ist.
Die stattliche Mauer mit der Klingenbastei an der Nordseite der Stadt.
Hier beginnt der begehbare Wehrgang, von dem früher die Verteidiger
herabschossen. Heute findet man dort Hunderte von Namenstafeln,
wo diejenigen verewigt sind, die der Stadt nach den Zerstörungen im
2. Weltkrieg durch den symbolischen Kauf eines Meters der Mauer beim Wiederaufbau halfen.
Rothenburg erwacht
Im Zeitalter der Romantik von der ersten Hälfte des 19. Jhd. bis Anfang 20.Jhd. wurde die schlafende Stadt von Malern und Dichtern zu neuem Leben erweckt. Ludwig Richter, Carl Spitzweg, Arthur Wasse u. a. porträtierten das "fränkische Jerusalem", zahlreiche Artikel und Reiseberichte erschienen in Zeitungen und Zeitschriften. Dies sorgte dafür, dass Rothenburg wieder ins öffentliche Bewusstsein gelangte und der Fremdenverkehr allmählich zu einer wichtigen Einnahmequelle wurde.
Doch dann, im 2.Weltkrieg, wurde die Tauberstadt noch einmal auf schreckliche Weise aus ihrer Beschaulichkeit gerissen. Kurz vor Kriegsende verlegte der deutsche General Max Simon mit dem 13. SS.-Armeekorps seinen Gefechtsstand in die Dörfer nahe Rothenburg und gab Befehl, die Stadt bis zum letzten Mann zu verteidigen.
Gleichzeitig bewegte sich die Frontlinie der Amerikanischen Armee aus mehreren Richtungen kommend direkt auf Rothenburg zu. Am Mittag des 31. März 1945 wurde die Stadt von einer US-Flugzeugstaffel bombardiert und zu 40% zerstört.
Das nordwestliche Viertel lag in Schutt und Asche, 39 Menschen starben, 306 Wohnhäuser wurden ganz, 52 teilweise zerstört, ebenso 750 Meter der Stadtmauer. Doch fast wäre es noch schlimmer gekommen. Der amerikanische General Jacob L. Devers gab Anordnung die Stadt mit Artillerie anzugreifen, um sie völlig zu vernichten. Bei einer Lagebesprechung hatte sich dann aber der stellvertretende Staatssekretär im Kriegsministeriums, John McCloy, für Rothenburg eingesetzt. Er wies General Devers darauf hin, das man eine solch schöne mittelalterliche Stadt verschonen soll, wenn die deutsche Wehrmacht Rothenburg kampflos übergibt.
Am 16. April erschien ein Unterhändler beim Standortkommandanten Mayor Thömmes, wo die übergabe der Stadt entgegen dem Willen des nicht anwesenden General Simon für den nächsten Tag vereinbart wurde. Am 17. April 1945 marschierte die amerikanische Armee ein, ohne auf Widerstand zu treffen. Damit war für Rothenburg der Krieg vorbei, drei Wochen vor dem offiziellen Kriegsende.
Als John McCloy 1952 Rothenburg besuchte, dankte man ihm für seine Intervention mit der Verleihung des Ehrenpatronats der Stadt.
Lassen Sie sich in die Vergangenheit zurückversetzen bei einem
abendlichen
Spaziergang mit dem Rothenburger Nachtwächter.
Von April bis Weihnachten findet der Rundgang täglich statt.
Treffpunkt um 21.30 Uhr am Marktplatz,
Dauer 1 Stunde.
Um 20.00 Uhr auch in englischer Sprache.